“Das sind alles Einzelfälle”: Vertreter der Paket-Branche redet sich bei “Hart aber fair” um Kopf und Kragen



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“Das sind alles Einzelfälle”: Vertreter der Paket-Branche redet sich bei “Hart aber fair” um Kopf und Kragen

  • Ein WDR-Journalist hat bei “Hart aber fair” einen Einblick in die miserablen Zustände der Paket-Branche geliefert
  • Der Vorsitzende des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik versuchte, die Unternehmen zu verteidigen

Am Montagabend hat “Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg seinen Gästen eine Frage gestellt, die viele Menschen in Deutschland beschäftigen dürfte: “Warum fühlt sich der Wirtschaftsboom für viele Arbeitnehmer wie eine Krise an?”

Zunächst plätscherte die ARD-Sendung dahin – bis WDR-Journalist Dieter Könnes auf die teilweise prekären Arbeitsbedingungen von Paketzustellern aufmerksam machte. Für seine Sendung “Könnes kämpft” hatte der Journalist Missstände in der Branche aufgedeckt.

Eine Zustellerin namens Susanne berichtete in einem Einspieler etwa, dass sie nicht mehr als 6,50 Euro in der Stunde verdiene. Also deutlich unter Mindestlohn. “Dafür müssen Sie aber ein gutes Gebiet haben”, sagte die Zustellerin. Auf dem Land könne der Stundenlohn schon einmal bei drei Euro liegen.

Ein bedrückendes Beispiel für die miserablen Zustände in der Branche. Ein Gast bei “Hart aber fair” wollte das jedoch nicht zählen lassen: Florian Gerster, der Vorsitzende des Bundesverbands der Paket und Expresslogistik.

“Das sind alles Einzelfälle”

“Natürlich darf das nicht sein”, gab der Vorsitzende des Paket-Bundesverbands Gerster zunächst zu. Nur um dann Könnes frontal anzugreifen: “Was aber nicht sein kann, ist, wie reißerisch Sie sich dieses Themas bedienen”, warf Gerster dem WDR-Moderator an den Kopf.

“Das sind Einzelfälle”, sagte Gerster, “dem gehen auch die Unternehmen nach”.

“Es ist klar, dass Sie sagen, das sind Einzelfälle oder schwarze Schafe. Aber ab einer gewissen Größenordnung der Herde von schwarzen Schafen stellt sich doch die Systemfrage”, griff Moderator Plasberg ein.

Gerster sieht die Unternehmen als Opfer

Gerster verwies auf den Preisdruck, der in der Branche herrsche. “Die E-Commerce werben mit freien Versand. Manchmal muss das ein paar Euro kosten”, sagte er. Zudem könnten andere Unternehmen nicht mit dem Preiskampf von DHL, dem größten Anbieter, mithalten.

“Habe ich das richtig verstanden, dass Sie in der Zange klemmen zwischen Amazon und uns allen hier”, versuchte Plasberg aus den Worten von Gerster abzuleiten.

“Die Margen sind zu gering, die Unternehmen können keine vernünftige Kalkulation machen”, verteidigte Gerster seine Branche.

Hier hatte nun die SPD-Politikerin Leni Breymaier genug: “Es wird doch keiner gezwungen, ein Paketunternehmen zu gründen”, schimpfte sie, merklich aufgebracht.

“Wir privatisieren, damit einzelne Leute Geld verdienen, die Chefs von DHL und so weiter”, sagte Breymaier. “Und die Leute verdienen einen Hungerlohn. Die Privatisierung hat sich doch nicht gelohnt.” Sie beklagte auch, dass Pakete zu billig seien.

Sind die Kunden Schuld?

Sind am Ende die Kunden schuld, weil sie nicht bereit sind, mehr Geld für Pakete zu bezahlen? Plasberg befragte sein Publikum – also den anderen Teil der Zange, der die Paketbranche in die Mangel nehme.

Fast jeder im Studio hat kürzlich ein Paket bestellt, wie die Zuschauer per Handzeichen deutlich machten. Aber keiner meinte, mitverantwortlich für den Preisdruck in der Paketbranche zu sein.

“Das ist ja völlig richtig. Wir leben in einer Marktwirtschaft, da werden die Preise verlangt, die vom Markt gebraucht werden”, sagte Gerster.

“Wenn nicht Mindestlohn bezahlt wird, ist das eine Art Notwehr?”, drängte Plasberg den Vorsitzenden.

“Der Mindestlohn ist eine Untergrenze. In Ballungsräumen zahlen wir wesentlich mehr”, gab Gerster zurück.

“Sie reden noch immer über Einzelfälle”

Hier schaltete sich wieder Moderator Könnes ein: “Das kann doch nicht sein, dass Journalisten Fälle aufdecken, wenn das in der Eigenverantwortung der Unternehmen liegt”, wetterte er. “Es müsste eine Behörde geben, die unabhängig ist und das überprüft.”

“Sie reden immer noch über ihre Einzelfälle”, widersprach ihm Gerster.

“Woher wissen Sie das?”, antwortete der Journalist.

“Sie können auch andere Franchise-Unternehmen untersuchen”, versuchte Gerster sich zu verteidigen.

“Das ist nicht meine Frage. Woher wissen Sie, dass das Einzelfälle sind?”, drängte Könnes den Vorsitzenden noch einmal zu einer Antwort.

Die lautete letztlich: “Weil ein Unternehmen nicht dauerhaft so wirtschaften kann.” Spätestens hier drehte sich die Sendung im Kreis. Denn Gerster war zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit.

“Ich finde das eine ziemliche Zumutung”

“Ich finde das eine ziemliche Zumutung, was Sie hier sagen”, sagte dann Wirtschaftsethiker Bernhard Emunds zu dem Vorsitzenden des Paket-Bundesverbandes. “Das sind Ihre Unternehmen, die zu solchen günstigen Konditionen Paketdienste anbieten.”

Das würden die Subunternehmer wohl auch nicht ändern, wenn sie mehr Geld verlangen könnten. Denn dann würden sie weiter Menschen prekär beschäftigen – um ihre Gewinne zu steigern.

Der Wirtschaftsethiker nahm daher die Politik in die Pflicht, um Standards wie den Mindestlohn einzuhalten.

An diesem Punkt brachte sich der Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, ein: “Wir haben hier einen Dienstleistungssektor, der sicher nicht dazu dient, Menschen Aufstiegschancen zu geben”.

“Menschen sind in einer Situation, dass sie diese Jobs annehmen müssen”, gab er zu. “Aber die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie kriegen wir für Menschen mit einer schwierigen Ausgangssituation Aufstiegschancen?”

Hüther bekräftigte: Das sei die eigentliche gesellschaftliche Aufgabe.

➨ Mehr zum Thema: An alle, die ständig über uns Paketboten schimpfen: Das Problem seid ihr selbst

 

(jds)

www.huffingtonpost.de/entry/hart-aber-fair_de_5a2f001ce4b078950282f1bd


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